Hinter den Kulissen des Simultandolmetschens

Sie fragen sich vielleicht, wie DolmetscherInnen arbeiten und was genau in diesen ungewöhnlichen Dolmetschkabinen passiert, in denen Menschen mit Mikrofonen und Kopfhörern am Rande von Konferenzen sitzen und eigentlich nur reden. Wenn ja, sind Sie nicht allein. Es ist eine der häufigsten Fragen, die meine KundInnen mir stellen, wenn die Veranstaltung vorbei ist.

Nehmen Sie für ein paar Minuten Platz in der Dolmetschkabine!

Die Delegierten kommen langsam in den Sitzungsraum. Der Franzose holt sich schnell noch einen Kaffee, der Spanier beendet sein Telefonat, der Engländer liest eine letzte Mail. Jetzt ist es aber so weit. Der Vorsitzende des europäischen Betriebsrates des Konzerns eröffnet die Sitzung. Von der Industrie 4.0 über die Auswirkungen des Brexits für die europäischen Standorte bis hin zur Marketing-Strategie: Jeder Punkt der Tagesordnung wird heftig debattiert. Die Teilnehmenden ergreifen alle das Wort, der eine ist aufgeregt und redet blitzschnell, der andere ist eher locker und macht gerne Witze. Trotz unterschiedlichen Muttersprachen, Stilen und Persönlichkeiten haben sie eins gemeinsam: An diesem Tag fokussieren sie sich alle auf ihr Kerngeschäft. Für den reibungslosen Ablauf der mehrsprachigen Kommunikation sorgen meine DolmetschkollegInnen und ich.

Der Adrenalinpegel in der Dolmetschkabine ist hoch.

Das Simultandolmetschen gleicht einer Achterbahnfahrt: Der Redner bestimmt, wo es lang geht. Er wählt das Thema und die Worte, er diktiert die Geschwindigkeit und den Ton, und ich verleihe ihm eine Stimme auf Französisch. Ein unsichtbares Band entsteht zwischen uns: Ich folge ihm überall hin. Bei jedem Satz bin ich dabei, darauf kann er sich verlassen. Ich höre ihm genau zu, analysiere jedes Wort, achte auf jeden Wechsel in seiner Stimmlage. Nur so kann ich seine Botschaft mit allen Nuancen, die sie enthält, ins Französische übertragen. Nach 20 Minuten übergebe ich das Mikro an meine Kollegin. Warum dieser Wechsel? Das Simultandolmetschen ist für das Gehirn besonders anstrengend und erfordert höchste Konzentration. Darum arbeiten wir immer zu zweit in einer Kabine. So können wir die Qualität durchgehend gewährleisten. Während meine Kollegin dolmetscht, höre ich weiterhin fleißig dem Redner zu und notiere alle möglichen Informationen, die für meine Kollegin relevant sein können. Ich schreibe die Zahlen, die Abkürzungen, die Namen auf, damit ich sie bei ihrer Arbeit ein bisschen entlasten kann. Team-Spirit ist neben Ausdauer und Konzentration in der Dolmetschkabine unabdingbar.

Die Konferenz neigt sich dem Ende zu…

Der Vorsitzende bedankt sich bei den Teilnehmenden für die Aufmerksamkeit. Die DolmetscherInnen bleiben bis zum letzten Wort konzentriert und dann ist die Konferenz beendet. Wir schalten das Mikrofon aus, stellen die Kopfhörer ab und genießen die Freude der getanen Arbeit. Aber schon ist es Zeit, die Laptops, Stifte und Blöcke zusammenzupacken. Die KonferenztechnikerInnen wollen nämlich bald die Kabinen abbauen. Für uns DolmetscherInnen geht es nach Hause, aber manchmal auch direkt zum nächsten Auftrag.

Beitrag teilen:

Neugierig? Lernen Sie die Klartexter:innen kennen!